Was, wenn hinter ADHS, Autismus oder chronischer Erschöpfung ein einfacher, aber übersehener Stoffwechseldefekt steckt?
Manche meiner Patient*innen – Kinder wie Erwachsene – kommen mit Diagnosen wie ADHS, ADS oder einer Autismus-Spektrum-Störung zu mir. Oft steht der Wunsch im Raum, die Beschwerden ganzheitlich zu betrachten und neben schulmedizinischen Wegen auch körperliche Ursachen zu erkunden.
Diagnostik
Neben einer Stuhl- und Blutuntersuchung, ist es noch folgender diagnostischer Schritt, den ich dann regelmäßig gehe: der Test auf Kryptopyrrolurie (KPU) – eine Stoffwechselstörung, bei der vermehrt sogenannte Pyrrole über den Urin ausgeschieden werden. Pyrrole sind Nebenprodukte der Häm-Synthese (ein Bestandteil des Blutfarbstoffs). Sie sind an sich nicht gefährlich – binden aber wichtige Mikronährstoffe wie Zink, Vitamin B6 und Mangan und ziehen diese buchstäblich mit hinaus.
Symptome und Folgen
Ein dauerhaftes Defizit an diesen Stoffen kann weitreichende Auswirkungen haben – sowohl körperlich als auch psychisch. Häufig genannte Symptome:
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Konzentrations- und Lernschwierigkeiten
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emotionale Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen
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Erschöpfung, depressive Verstimmungen
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Infektanfälligkeit
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Hautprobleme wie Akne, Neurodermitis oder Haarausfall
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Verdauungsprobleme
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unruhiger Schlaf oder Albträume
Der Zusammenhang zu ADHS, Autismus oder Angstsymptomatik liegt daher nahe – wenngleich wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.
Was sagt die Forschung?
KPU ist keine schulmedizinisch anerkannte Diagnose. Es gibt Hinweise aus der integrativen Medizin und Erfahrungsberichte, die Zusammenhänge zwischen KPU und neurologischen oder psychischen Auffälligkeiten aufzeigen. Eine oft zitierte Quelle ist die Studie von Hoffer und Osmond (1969), in der erstmals ein vermehrter Nachweis von Kryptopyrrolen im Urin bei psychisch erkrankten Menschen beschrieben wurde. (Hoffer A, Osmond H. Identification of Kryptopyrrole in Human Urine and its Relation to Psychosis. Nature, 1969)
Ein kritischer Übersichtsartikel aus dem Jahr 2021 kommt jedoch zu dem Schluss, dass bislang keine robusten, doppelblind-randomisierten Studien existieren, die eine Kausalität nachweisen. (Pyroluria: Fact or Fiction? Review article, ResearchGate, 2021).
Auch Labore, die KPU-Diagnostik anbieten, räumen ein, dass es sich um ein funktionelles Konzept mit noch ausstehender Validierung handelt. (AONM Lab Guide: Kryptopyrrolurie – was der Labortest aussagt. aonm.org, 2024.)
Trotz dieser Unsicherheiten zeigen viele meiner Patientinnen mit auffälligen Urinwerten eine positive Reaktion auf eine gezielte Mikronährstofftherapie.
Mein therapeutischer Ansatz
Ich teste KPU bei entsprechender Symptomlage mit einem einfachen Urintest. Liegt eine erhöhte Ausscheidung vor, kombiniere ich gezielte Mikronährstoffgaben mit einem individuellen Therapieplan:
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Ernährungsumstellung
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Darmsanierung (bei gleichzeitigem Verdacht auf Dysbiose)
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Akupunktur / Fußreflex- oder Zentherapie zur Stabilisierung
Dabei ist mir wichtig zu betonen: KPU ist keine alleinige Erklärung, aber ein mögliches Puzzlestück – gerade bei Kindern mit auffälligem Verhalten, Konzentrationsproblemen oder Entwicklungsverzögerungen.
Therapie braucht klare Befunde
Eine gezielte Diagnostik ist entscheidend, um einen möglichen Mangel an Zink, Vitamin B6 oder anderen relevanten Mikronährstoffen nachzuweisen. Eine bloße Vermutung oder unsystematische Substitution kann mehr schaden als nutzen. Nur auf Basis eines fundierten Laborbefunds lässt sich eine individuell abgestimmte Behandlung einleiten – mit dem Ziel, die biochemischen Prozesse im Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
KPU - zwischen Hypothese und Erfahrung
Der Begriff „Kryptopyrrolurie“ steht aktuell zwischen den Stühlen: Die Schulmedizin betrachtet ihn mit Skepsis, während die Komplementärmedizin darin ein oft übersehenes Syndrom vermutet. Mein Ansatz liegt dazwischen: Ich nehme die Beschwerden meiner Patient*innen ernst – und nutze alle zur Verfügung stehenden Mittel, um mögliche Ursachen aufzuspüren.
Wenn Sie selbst oder Ihr Kind unter Symptomen leiden, die nicht greifbar scheinen – sprechen Sie mich gern an. Gemeinsam schauen wir, ob ein KPU-Test sinnvoll ist.